Ein Konzept mit Perspektive
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Lutz Rohmer, Präsident des Verbandes Mittelrhein, setzt auf Jugendförderung und Mitgliederzuwachs

Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger 10.01.2012 - ANDREJ RETIET

Köln. In der Rangliste sinnvoller Freizeitgestaltung nimmt der Sport nach wie vor einen hohen Stellenwert ein. Kinder und Jugendliche beispielsweise haben mittlerweile die freie Wahl unter weit mehr als hundert Sportarten, die sie intensiv betreiben können. Seit Jahrzehnten nahezu unumstritten an vorderster Front in der Beliebtheitsskala steht natürlich König Fußball. Der Deutsche Fußballbund ist daher nicht nur der größte deutsche Sportverband sondern liegt sogar weltweit vorn. In Sachen Ballsportarten an zweiter Stelle in Deutschland rangiert bereits, und das kommt vielleicht sogar etwas überraschend, der Deutsche Handballbund mit rund 800 000 Mitgliedern.

Seit Mai 2010 steht der Kölner Lutz Rohmer als Präsident und Leiter der Geschäftsstelle, und damit als höchster Funktionär, an der Spitze des Handballverbandes Mittelrhein (HVM). Rohmer, der ehrenamtlich viel Zeit für die Belange des Handball im Mittelrhein aufwendet, lässt aufhorchen: "Ich würde gerne den Fußball überholen und mit dem Handball größter Sportverband in Deutschland werden. Dazu beitragen möchte ich natürlich mit einem starken Mitgliederzuwachs auch im Handballverband Mittelrhein." Natürlich klingt da etwas Ironie durch, doch dass der Mittfünfziger ein überaus engagierter Streiter für seinen Handballsport ist, spürt man sofort. Ruhig und kompetent spricht Rohmer über den dynamischen Hallensport. Der ehemals beim RSV Rath-Heumar aktive Handballer, der den zuvor seit 25 Jahren amtierenden Bergisch Gladbacher Frank Gebhardt im Präsidentenamt ablöste, hat sich damit ein ehrgeiziges Ziel gesetzt und möchte natürlich in erster Linie weg von der "Einbahnstraßenentscheidung" vieler Aktiver, sich sportlich für den ewigen Rivalen Fußball zu entscheiden.

Im HVM sind in 125 Vereinen mit 900 Mannschaften derzeit fast 29 000 Mitglieder organisiert. Der Mittelrhein ist einer von 22 Landesverbänden in Deutschland. Um seinem Ziel näher zu kommen, sieht Lutz Rohmer zuvorderst einen gangbaren Weg: "Wir müssen an die Schulen gehen, um die Kinder für unseren Sport zu gewinnen. Neben einigen Turnieren haben wir in Köln im Mai 2011 schon die erste Kölner Grundschulmeisterschaft über die Bühne gebracht. Die zweite Meisterschaft soll am 24. Mai 2012 folgen. Minispielfeste für die Jüngsten, zur Gewöhnung an das Sportgerät Ball, sind auch sehr erfolgreich. Ein solches Konzept hat Perspektive."

Der Funktionär wünscht sich außerdem mehr Arbeitsgemeinschaften an Schulen und mehr Sportschulen im Verbandsgebiet. Doch Rohmer weiß natürlich auch um die Schwierigkeiten im Metier: "Wir haben eine Menge Ganztagsschulen im Verbandsgebiet, viele Jugendliche haben da auch einfach keine Lust, nach einem anstrengenden Unterrichtstag noch zum Handballtraining zu gehen." Die Vereine insbesondere auf Kreisebene kämpfen zudem oft um adäquate Hallentrainingszeiten, und konkurrieren da mit anderen Sportarten. Doch wenn möglich, sollte es für das Training schon eine Dreifachsporthalle sein.

Konkurrenz erkennt Rohmer auch noch woanders: "Wir leben in einem Überangebot an Freizeitgestaltung, da muss sich der Handball erstmal durchsetzten", so der HVM-Präsident. Dass der oberbergische Vorzeigeverein VfL Gummersbach in der Handballbundesliga derzeit schwächelt, steigert natürlich das Handballinteresse des Nachwuchses auch nicht gerade. Die Gummersbacher sind als Drittletzte der Tabelle mittlerweile endgültig im Abstiegskampf angekommen - trotz der vor Kurzem erfolgten Trennung von Trainer Sead Hasanefendic. Und die im Sommer auf den letzten Drücker erhaltene Lizenz für die laufende Spielzeit war dem Ansehen des VfL auch nicht förderlich. "Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder, die Jungen sind nicht motiviert, Handball zu spielen, wenn die Alten es so schlecht vormachen," muss auch Lutz Rohmer einräumen.

Auch der DHC Rheinland, ehemals TSV Bayer Dormagen gab in der Bundesligasaison 2010/2011 ein schlechtes Bild ab. Durch den Lizenzentzug fand man sich in der Zweiten Liga wieder, und versucht nun mit der Fusion mit der HSG Düsseldorf eine Konsolidierung.

Trotz der Krisenstimmung in den Spitzenvereinen sieht Lutz Rohmer den Verband Mittelrhein auf einem guten Weg. Die Nachwuchsförderung auf Verbandsebene läuft auf vollen Touren. Mehrmals jährlich geht es für die Junioren zu Lehrgängen und zum Verbandstraining, und meistens sind die Talente bei Ländervergleichsturnieren und Länderpokalen vorne mit dabei.

Dank einiger Finanzspritzen ist auch der Frauenhandball am Mittelrhein im Aufwind. Die Mädchen nahmen im letzten Jahr beim Ländervergleichsturnier in Nümbrecht sogar den Siegerpokal mit. "Es spielen noch immer viel zu wenig Mädchen Handball, der natürlich keine typische Frauensportart ist. Da gibt es noch Nachholbedarf", erklärt Rohmer.

Rein sportlich gut gebettet, sieht es in auch finanziell im HVM nicht schlecht aus. "Die Vereine auch in den Kreisklassen finden ihre Sponsoren, da ist mir nicht bange. Ein gutes Marketing ist da sehr wichtig. Potenzielle Firmen, die in den Handball investieren, müssen sich mit ihrem Produkt natürlich mit diesem Sport identifizieren können," sagt Rohmer, der jüngst für die Verbands-Homepage drei Handballartikelhersteller als Sponsoren engagieren konnte.

Vor allem in der Sport- und Marketingecke möchte Rohmer den erfolgreichen Weg seines Vorgängers fortsetzen und an Konzepten feilen. Damit der Spitzenhandball und der Breitensport weiter aus dem "Vollen" schöpfen können, steht die Nachwuchsentwicklung weiter vorne an, um dann vielleicht auch mal dem Fußball näher zu rücken.
  


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